In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Im Wintersemester 2019/20 entsteht unter der Leitung von Julian Hespenheide ein „Creative Coding“ Projekt. Das dahinterliegende Konzept setzt sich auseinander mit dem Themengebiet der Entropie. Basierend auf dem Spiel SCRABBLE®️ werden ein Aktionsfeld sowie Buchstabensteine verwendet, um das Wechselspiel von Chaos und Kosmos im Ausstellungskontext zu repräsentieren. Die Besuchenden haben selbst die Möglichkeit, gemeinsam neue Wortfelder zu erschaffen und diese in ein Lautgedicht übersetzen zu lassen. Das Projekt „Entropie“ verspricht kontrollierten Zufall.
Erstmalig aufgetreten im Jahr 1865 versucht der Begriff „Entropie“ die Irreversibilität physikalischer Systeme darzulegen: den Übergang eines geordneten Zustands hin in eine ungeordnete Gestalt. Der hierbei variierende Grad der Unordnung eines Systems beschreibt dessen Entropie. 155 Jahre später zeigt sich die Entropie vielschichtiger – sie stellt den Zusammenhang zwischen Chaos und Kosmos her. Chaos als der Urzustand einer Schöpfung wird mittels Prozessen der Selbstorganisation in einen geordneten Kosmos überführt. Es stellt sich die Frage: ist ein Rückfall möglich? Kann ein Kosmos zurück in das ursprüngliche, chaotische System gewandelt werden? Oder beinhaltet jeder Kosmos ein neues Chaos und ist eine Rückführung somit sinnlos? Die Urmaterie ist unstrukturiert, durcheinander und diffus. Es gilt, diesen Zustand auseinander zu brechen und erste Strukturen und Systeme entstehen zu lassen. Das Projekt betrachtet Entropie als Maß für die Unbestimmtheit des Ausgangs eines kreativen Prozesses. Das Ziel ist es, eine interaktive Installation zu erschaffen, die zwar ein Ordnen der Unordnung ermöglicht, jedoch den Nutzenden erneut mit einem entstehenden Chaos konfrontiert.
Fange an zu Summen, lass das Vibrieren einen Moment deinen Körper bestimmen. Nun öffne gleichzeitig deinen Mund, versuche den entstehenden Ton klanglich einzufärben und ihm einen Charakter zu geben. Variiere die Form deiner Lippen, werde lauter und leiser, nimm die Zunge zur Hilfe zum Erzeugen neuer Geräusche. Hörst du die Unterschiede?
Uns steht ein schier unendliches Spektrum an Lauten zur Verfügung für die Verständigung und zum Ausdruck unserer Selbst. Um unsere tägliche Kommunikation zu erleichtern, haben wir jedoch den diversen Geräuschen Bedeutungen zugeschrieben und Ordnung in die Urmaterie der Klänge gebracht – wir entwickelten Sprachen. Um diese auch schriftlich abbilden zu können, entstanden im Laufe der Zeit Buchstaben, die in Form von Alphabeten dargestellt werden. Das deutsche Alphabet ist eine Variante des lateinischen und beinhaltet 26 Buchstaben sowie zusätzliche Umlaute als auch das Eszett in der Kleinschreibung.
Diese 30 Zeichen können wir aneinanderreihen, neu sortieren und Wortneuschöpfungen kreieren. Aus den gleichen Buchstaben lassen sich zumeist mehrere Wörter bilden. Wir haben jederzeit die Wahl, wie wir Buchstaben kombinieren und welche Gewichtung wir diesen geben.
Eine Möglichkeit, diesen Umstand sichtbar zu machen, bietet das traditionelle Spiel SCRABBLE®️. Hierbei handelt es sich um ein Buchstabenspiel, bei dem die Spielenden aus Buchstabensteinen mit unterschiedlichem Wert Wörter zusammensetzen und so auslegen, dass sie nach Art eines Kreuzworträtsels miteinander in Verbindung stehen. Aus den zur Verfügung liegenden Buchstabensteinen sowie den bereits gelegten Wörtern werden neue Expressionen geschaffen mit dem Ziel, eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen.
Das Projekt „Entropie“ nimmt sich SCRABBLE®️ als Grundlage für eine interaktive Installation im Kontext einer Ausstellung. Besuchenden wird eine Ansammlung an Buchstabenplättchen angeboten, aus denen es Wörter zu legen gilt. Die Ablagefläche orientiert sich an dem Charakter des klassischen SCRABBLE®️-Feldes und umfasst ebenfalls ein Raster von 15 mal 15 Kästchen, auf denen die Buchstaben abgelegt werden können. Das zentrale Startwort bildet der Begriff „Entropie“. Jeder Ausstellungsbesuchende wird dazu animiert, das Spielfeld durch seinen persönlichen Beitrag zu erweitern. Er/Sie kann aus den verbleibenden Buchstabensteinen wählen und sie an Wörter auf der Ablagefläche anlegen oder auch dieses an sich räumen sowie neue Kombinationen platzieren. So entsteht mit der Zeit aus dem vorgefundenen Buchstabenlsalat ein geordnetes Spielfeld mit unterschiedlichsten Ausdrücken.
Der Leitgedanke des Projekts wird gestützt durch das Vorbild des Dadaismus. Die Dadaisten entdeckten den Zufall als schöpferisches Prinzip. Sie experimentierten mit Collagen und Montagen aber auch mit Lautgedichten, welche die Sprache nicht mehr durch ihre abbildende Funktion definierten, sondern sich ganz auf ihren Ursprung als Lautmaterial stützten.
Das Addieren neu gelegter Wortwerte zu der sich auf dem Spielfeld zuvor befundenen Punktanzahl lässt eine Symphonie der Körperklänge entstehen. Die Besuchenden werden selbst zu Komponisten bzw. Dichtern neuer Lautbilder, indem den diversen Wortwerten aufgenommene Geräusche, die mit dem Mund erzeugt wurden, zugeordnet, abgespielt sowie kombiniert werden. Eine klangliche Unordnung entsteht. Um diese für die Ewigkeit festhalten zu können und wiederholbar zu machen, wird das entstehende Lautgedicht dauerhaft durch einen Thermodrucker ausgegeben – vielleicht dadurch auch wieder in einen sortierten Rahmen gebracht? Entscheidet sich der Nutzende, die Ablagefläche zu räumen, so endet auch die Symphonie bzw. ein Klangbild und wird von der Papierrolle abgeschnitten. Es wird wieder mit dem Starwort und Klang der „Entropie“ begonnen.
Alle entstandenen Symphonien bzw. Lautgedichte tragen den Namen „Entropie“ und können von den Ausstellungsbesuchenden mitgenommen werden. Die abgeschnittenen Papierschnipsel fallen auf den Boden und sammeln sich vor der interaktiven Installation.
Das Projekt „Entropie“ wird durch eine Kubusform aus Holz und Beton-Optik definiert. In die hölzerne Oberseite ist eine Plexiglasplatte eingelassen, in welche mittels eines Lasers das 15 mal 15 Gitternetz eines SCRABBLE®️-Feldes eingefügt ist. Neben dieses Spielfeld wird eine Schale mit Holzuntergrund eingebettet, in der die ungeordneten Buchstabenplättchen abgelegt werden.
Unterteilt werden die obere Hälfte aus Holz sowie der untere Part in Beton-Optik durch einen seitlich eingelassenen LED-Streifen, der den gesamten Kubus umspannt. Gebrochen wird sein Licht durch einen davor angebrachten, mattierten Plexiglasrahmen.
Die untere Hälfte des Ausstellungsobjektes birgt alle technischen Elemente, beispielsweise den Thermodrucker, und versteckt verwendete Kabel zum zentralen Steuerelement des Projekts. Ebenso werden die Front sowie die Seitenflächen durch integrierte Lautsprecher durchbrochen, welche die Lautgedichte/-symfonien wiedergeben. Zusätzlich ist in der dem Nutzenden zugewandten Kubusseite eine Aussparung für die Ausgabe des Thermodruckers vorgesehen.
Damit die ausgedruckten Sprachbilder auch zu Boden fallen können bzw. sich nach einer Zeitspanne auf diesem sammeln, muss das Projekt auf einem Podest oder einer Erhebung innerhalb einer Ausstellung präsentiert werden. Unter dieser befindet sich auch die zuvor thematisierte Steuereinheit, welche die benötigten Code-Elemente beinhaltet. Nicht in den Aufbau integriert ist eine Kamera zur Bilderkennung der Buchstaben. Es wird davon ausgegangen, dass diese Dezent an der Decke angebracht werden kann, nicht vom Ausstellungsbesuchenden bemerkt und dadurch auch nicht als Teil des Konzeptes wahrgenommen wird.
Alle benötigten Töne, Klänge und Geräusche unseres Körpers werden im Vorhinein durch die Urheberin des Projektes aufgenommen. Hierbei wird darauf geachtet, dass sowohl unterschiedliche Klangkörpergrößen sowie Stimmfarben zum Einsatz kommen, als auch den Teilnehmenden keine Vorgaben gemacht werden, welche Geräusche sie erzeugen sollen.
Es wird ihnen lediglich vorgegeben, dass sie Laute unter Zuhilfenahme ihrer Stimme, ihres Mundes, ihrer Lippen bzw. ihrer Zunge erschaffen sollen. Diese werden digitalisiert, nachbereitet und in eine Klang-Bibliothek verpackt.
Auf dem Thermodrucker selbst werden die Lautgedichte in Anlehnung an das Vorbild des Dadaismus in Lautstärke, Intensität und Dauer der Körperklänge abgebildet. Durch die gewählte Darstellung kann beim erneuten Vortragen die vorlesende Person eine eigene Interpretation des jeweiligen Gedichtes vornehmen.
Der erstellte Prototyp stützt sich auf das vorgenannte Konzept mit dem Ziel, dieses weitestgehend zu realisieren. Hierfür findet die Google Cloud Vision API zur Bilderkennung, socket.io für die interne Kommunikation sowie das Erstellen einer kleinen Web-Anwendung zu Debugging-Zwecken Einsatz. Ebenso wird JavaScript verbunden mit p5.js sowie node.js als Laufzeitumgebung verwendet.
Verzichtet wird auf ein umfassendes Filesystem, welches die aufgenommenen Körperklänge umfasst. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Laute wird für den Prototyp abgeändert, da der Fokus vorerst auf der Überprüfung der Funktionstüchtigkeit des Codes liegt.
Final wird der Kubus testweise gebaut. Zum Einsatz kommt dabei Pappelsperrholz mit einer Dicke von 12 mm sowie Plexiglas mit einer Stärke von 8 mm. Des Weiteren wird während der Herstellung eine Anpassung in der Form getätigt. Sie erhält einen schrägen Anschnitt rechtsseitig. In die schräge Ebene soll künftig die Ausgabe des Thermodruckers eingefügt werden.
Für die Zukunft sollen der Formprototyp sowie die erstellte Applikation zusammengeführt werden. Hierfür soll ein neuer Kubus mit verbesserter Bauweise und eingelassenen Vorrichtungen für Lautsprecher/Thermodrucker/ Kabel etc. realisiert werden.
Darüber hinaus ist es überlegenswert alle aktuell händisch ausgeführten Kommandos sowie den erneuten Start des Programms zu automatisieren. Eine Möglichkeit hierfür stellt nodemon dar, eine Erweiterung für node.js basierte Anwendungen.
Ich möchte mich abschließend bei meinem Dozenten Julian Hespenheide für seine Unterstützung sowie dem Makerspace Darmstadt bedanken, ohne den ich in der Zeit der Corona-Pandemie niemals meinen Formprototypen hätte realisieren können.