In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Die Auseinandersetzung mit geschichtlichen Themen löst bei vielen Menschen eine Faszination für den Bereich Geschichte aus, allerdings ist der Schulunterricht oftmals negativ in Erinnerung geblieben. Monotone Unterrichtsformen, wenig Abwechslung und Veranschaulichungen sowie eine einseitige Reizaufnahme prägen das Bild des Unterrichtsfachs Geschichte. Des Weiteren wird in einigen Bundesländern das Fach nur einmal pro Woche oder vereinzelt als Verbund mit anderen Fächern unterrichtet. Die Folge ist, dass Schüler bestimmte historische Zusammenhänge nicht klar nachvollziehen können. Zwar wurde der Frontalunterricht in seiner traditionellen Form, bei dem die Schüler eher passiv als aktiv am Unterricht teilnehmen, durch die Integrierung offener und schülerzentrierter Unterrichtsformen weitestgehend überarbeitet, doch stellt die Erarbeitung solcher schüleraktiven Lernszenarien einen enormen Arbeitsaufwand dar und scheitert oftmals in der Umsetzung. Hinzu kommt, dass eine Digitalisierung im Unterrichtssektor gefordert wird. In Anlehnung an diese Entwicklungen geht es in meiner Masterthesis um die Gestaltung einer Lernanwendung, mit der den Schülern ein aktives, entdeckendes und erforschendes Lernen ermöglicht wird. Darüber hinaus soll die Anwendung den Schülern die Faszination für Geschichte näherbringen und ein positives Beispiel dafür geben, wie mit modernen, lerneffektiven und interessanten Methoden der Schulunterricht aufgefrischt werden kann.
Das Ziel des Geschichtsunterrichts ist die Herausbildung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins. Zudem spielt in der heutigen Unterrichtskultur die Ausübung von Schüleraktivität eine enorm große Rolle. Schüler können am effektivsten Informationen aufnehmen, wenn sie selbst aktiv sind und erforschend sowie entdeckend Lernen. Hierbei ist es vor allem wichtig, mit mehreren Sinnen zu lernen, da so die einzelnen Informationen anhand von Netzwerken besser im Gehirn gespeichert werden können. Mit der Handlungsorientierung wird dieses Lernen mit mehreren Sinnen im Geschichtsunterricht umgesetzt. Das Rollenspiel stellt dabei eine sehr gute handlungsorientierte Methode dar. Gleichzeitig wird heutzutage ein kooperatives Lernen gefordert, wodurch vor allem aufgrund von positiver Interdependenz und individueller Verantwortlichkeit das soziale Miteinander verbessert wird. Hinzu kommt, dass bei der kooperativen Methode die Schüler mal als Zuhörer und mal als Experte agieren, womit ein vielfältiges Lernen zustande kommt. Zu guter Letzt ist es enorm wichtig, dass auf die Heterogenität der Schüler eingegangen wird. So hat jeder Schüler verschieden Stärken, Charaktereigenschaften, Interessen usw.. Mithilfe der Differenzierung wird dies beachtet und eine individuelle Förderung jedes Schülers umgesetzt. Eine Differenzierung kann dabei nach Interessen, Niveau, Zeitmanagement, Sozialform sowie nach Arbeitsmaterialien und Methoden erfolgen.
Die Erkenntnisse der Recherche zeigen, dass in der heutigen Unterrichtskultur zahlreiche Faktoren in Bezug auf die Unterrichtsdurchführung berücksichtigt und gefordert werden, sei es die Handlungsorientierung, das kooperative Lernen oder aber die Differenzierung. Sämtliche Herangehensweisen richten sich auf eine Zentrierung des Schülers sowie auf dessen Förderung durch ein aktives Handeln. Das Thema der Untersuchung lautet daher:
Konzeptentwicklung zur Förderung von Schüleraktivität im Geschichtsunterricht der 5. und 6. Klasse.
Hierbei soll der Geschichtsunterricht unter Einbeziehung moderner Methoden aufgefrischt werden und den Schülern einen lerneffektiven Umgang mit Geschichte ermöglichen. Generell bereitet die Erstellung von schüleraktiven Lernszenarien den Lehrkräften einen enormen Arbeitsaufwand. Dies ergeht daraus, dass eine schüleraktive Unterrichtsdurchführung sehr dynamisch verläuft und somit sämtliche Eventualitäten stets einkalkuliert werden müssen. Angesichts dessen soll ein schüleraktives Lernszenario bzw. Lernkonzept entworfen werden, welches Lehrkräfte unterstützt und Schülern ein erforschend-entdeckendes Lernen ermöglicht. Im Zentrum steht somit folgende Fragestellung:
Wie kann schüleraktives Lernen mithilfe einer interaktiven Anwendung im Geschichtsunterricht der 5. und 6. Klasse gefördert werden?
Neben der zentralen Fragestellung stehen folgende Zielstellungen im Fokus:
Das Römischen Reiches dient als Rahmenthema, auf welches ein schüleraktives Lernszenario angewendet und untersucht wird. Der thematische Schwerpunkt fokussiert sich dabei auf die Gesellschaft des antiken Roms. Die Schüler bekommen einen Einblick in das Alltagsleben Roms und werden über die einzelnen gesellschaftlichen Strukturen informiert.
Um ein authentisches Bild zu erhalten, wurde dabei an die Zielgruppe herangetreten und eng mit ihr zusammengearbeitet. Mittels intensiver Beobachtungen konnte so ein detailliertes Bild von den Hauptnutzern, aber auch von Nebennutzern gewonnen werden. Die Hauptzielgruppe definiert sich aus Schülern zwischen 10-13 Jahren und aus Lehrkräften. Die Erkenntnisse wurden dabei vor allem durch Umfragen, Interviews und zwei Shadowings gewonnen. Es stellte sich heraus, dass die Ansichten der Schüler und Lehrer nicht weit auseinander liegen. Beide sehen in dem Rollenspiel viel Potenzial. Während Schüler das spielerische Szenario mögen und abstrakte Themen durch ihre Rolle besser verstehen, sehen Lehrkräfte darin vor allem die Chance, das Lernen schüleraktiv und mit mehreren Sinnen, also handlungsorientiert, zu gestalten. Die in der Recherche dargestellte Forderung nach kooperativen Lernmethoden wurde von beiden Gruppen ebenfalls bestätigt. Das Shadowing zeigte, dass Schüler in der Methode des kooperativen Lernens trainiert und ritualisiert sind. Zudem verlangen beide Gruppen schülernahe Themen (Lebensweltbezug). Digitale Medien, denen Schüler und Lehrer laut Umfrage sehr positiv gegenüber stehen, können dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Die Erkenntnisse wurden schließlich in Personas zusammengefasst und mit Empathy Maps und einer User Journey Map vertieft.
In der Konzeption wurden zunächst fünf verschiedene Konzepte generiert und mithilfe von Skizzen dargestellt bzw. beschrieben. Bei der Erarbeitung lag der Fokus vor allem darauf, dass die an das Lernszenario gestellten Anforderungen abgedeckt werden. In dem favorisierten Konzept arbeiten zwei Schüler zusammen. Sie sind dabei mit einem Tablet ausgestattet und informieren sich zunächst in Einzelarbeit über eine historische Person (Plebejer oder Patrizier). Die historischen Personen der Schüler unterscheiden sich voneinander, gehören allerdings zu einem Gesamtthema. Die Schüler können durch Anklicken mit der Person interagieren und somit Informationen sammeln. Haben beide ihre Lernumgebungen erfolgreich gemeistert, kommen die Schüler zusammen und stellen in einer Art Rollenspiel ihre historische Person dem anderen vor. Je mehr Fortschritte sie machen, um so mehr tauchen sie in die historische Welt ein und verwandeln sich mehr und mehr zu der historischen Person, die sie gewählt haben. Das Konzept hat verschiedene Vorteile. Zum einen werden die Schüler dazu aufgefordert, sich ein Thema selbstständig und eigenverantwortlich zu erschließen. Sie sind aktiv und fördern durch eigenes Tun den Lernprozess. Zum anderen wird nicht nur die Einzelarbeit berücksichtigt, sondern auch ein gemeinsames Lernen, genau genommen ein kooperatives Lernen, ausgeübt. Verdeutlicht wird dies durch die positive Abhängigkeit, die unter den Schülern besteht. Ein erfolgreiches Rollenspiel kann nämlich nur dann stattfinden, wenn beide Schüler ihr Thema ausführlich erarbeitet haben. Ein weiterer Vorteil zeigt sich im Lernprozess selbst. Dieser ist frei, bei dem die Schüler ihr eigenes Tempo wählen können. Darüber hinaus ist das Konzept handlungsorientiert und unterstützt das Lernen mit mehreren Sinnen. Auf der einen Seite erkunden die Schüler ihre historische Person durch Beobachten und Zuhören, auf der anderen Seite wird in dem Rollenspiel ein Erzählen und Agieren ausgeübt. Überhaupt schafft das erweiterte Rollenspiel auch die Entstehung eines Lebensweltbezugs, da die Kinder das historische Szenario mit ihrer eigenen Gegenwart vergleichen können. Zudem bietet es mit der dynamischen und digitalen Veränderung des Aussehens der Schüler die Möglichkeit, in die antike Zeit einzutauchen. Den Lernenden kann somit die Geschichte anschaulich und spielerisch präsentiert werden.
In dieser Phase wurde ein erster Prototyp für das Tablet in Form eines Low Fidelity Prototypen gestaltet. Die Schüler konnten sich mit dieser ersten Anwendung über ihre historische Person informieren und schließlich in einem Rollenspiel zusammen agieren. Um die Praxistauglichkeit und Funktionalität zu überprüfen, wurde bereits zu dieser Phase eine Evaluation des Low Fidelity Prototypen vollzogen. Dazu wurde dieser von zwei Schülern getestet. Als sehr positiv tat sich hervor, dass die Schüler aktiv bzw. selbstständig in ihrem eigenen Lerntempo arbeiteten und sich die Infos über mehrere Sinne einprägten. Äußerst hilfreich waren dabei die verwendeten Veranschaulichungen. Einerseits lösten sie ein Interesse für geschichtliche Themen aus, andererseits verbesserten sie das Verständnis. Generell konnte verdeutlicht werden, dass die Kinder die geschichtlichen Fakten nicht nur gelernt, sondern auch mit Spaß verinnerlicht haben. Optimierungsbedarf gab es allerdings in Bezug auf die Motivation. Zum einen fehlte es dem Konzept an Anreizen, zum anderen gestaltete sich das Rollenspiel wenig intuitiv. Eine Überarbeitung war demnach notwendig.
In der Umsetzungsphase wurde das Konzept aufgrund der Erkenntnisse aus der ersten Evaluation angepasst und verbessert. Das Lernszenario wurde dabei in die drei Phasen Vorbereitung, Lernumgebung und Rollenspiel eingeteilt. In der Vorbereitungsphase geht es um das Erstellen eines Avatars (Entstehung einer Identifikation) und um das Verbinden der Tablets der Schüler, womit ein gemeinsames Arbeiten ermöglicht wird. Die Lernumgebungsphase fokussiert sich dagegen auf die Wissenserarbeitung. Wie im Lo-Fi Prototypen besuchen die Schüler dazu in Einzelarbeit die Lernumgebung ihrer historischen Person, mit der sie interagieren können. Infolge der Überarbeitung wurde es ermöglicht, die bestehende Schwäche eines fehlenden Anreizes durch ein Sammelprinzip, also durch das Integrieren eines Gamificationgedankens, zu beheben. Die Schüler sammeln dazu in ihrer Lernumgebung Items, die mit ihrer historischen Person in Verbindung stehen und gleichzeitig mit einem historischen Inhalt ausgestattet sind. Hinzu kommt, dass die Items eingeprägt werden müssen, da diese später in der Rollenspielphase erneut auftauchen. Die Schüler sind somit auf spielerische Art und Weise motiviert. In der dritten Phase, dem Rollenspiel, kommen die Schüler schließlich zusammen und wenden in kooperativer Partnerarbeit ihr erlerntes Wissen an. In einer ersten Challenge wiederholen sie dazu ihr Wissen, indem sie ihre historische Person ihrem Mitschüler vorstellen. Die kennengelernten Items finden die Schüler dabei in der 360° Umgebung und geben ihnen beim Vorstellen wichtige Hinweise. In einer zweiten Challenge schlüpfen die Lernenden dagegen in die Rolle ihres Römers und lösen aus dessen Sichtweise gemeinsam ein Problem. Die römischen Passanten in der 360° Umgebung geben den Schülern dabei wichtige Hinweise und helfen bei der Lösungsfindung. Insgesamt erfuhr das Rollenspiel die größte Änderung. Der Fortschritt bzw. der Lernerfolg lässt sich nämlich nicht mehr anhand der digitalen Aussehensveränderung der Schüler, sondern anhand der Veränderung der Umgebung erkennen. Die Schüler können mit der Umgebung interagieren und bekommen gleichzeitig einen immersiven Eindruck von dem historischen Geschehen. Beeinflusst wird das Ganze durch die hinzugeschaltete Lehrkraft, welche die Challenges freigibt und Hinweise geben kann. Aus didaktischer Sicht ist mit der Überarbeitung des Konzepts ein Szenario entstanden, welches das Lernen ganzheitlich abdeckt, da das Wissen zunächst erarbeitet, anschließend wiederholt und verfestigt und letztlich angewendet sowie verstanden wird.
Das finale Testing bestätigte, dass mit dem Lernszenario „Zeitsprung - Geschichte erleben“ eine interaktive Lernanwendung entstanden ist, mit der die Schüleraktivität gefördert wird. Die Schüler arbeiteten motiviert, selbstständig sowie eigenverantwortlich. Über mehrere Sinne, also handlungsorientiert, eigneten sie sich die Informationen an und konnten mithilfe eines Rollenspiel in einer 360° Umgebung spielerisch eine historische Aufgabenstellung erfolgreich lösen. Die Ausübung eines kooperativen Arbeitsprinzip konnte ebenfalls bestätigt werden. So konnte das Lernszenario nur bestanden werden, wenn beide Schüler pflichtbewusst ihre Aufgaben erfüllten. Die Schüler sind somit nicht nur für ihren eigenen Lernfortschritt, sondern auch für den Lernfortschritt des anderen verantwortlich. Des Weiteren wird mit dieser digitalen Lernanwendung ein hohes Maß an Differenzierung angeboten. So haben die Schüler Wahlmöglichkeiten, können ihre Zeit selbst einteilen und Hinweise abrufen. Insgesamt wird mit dem Lernszenario ein Erleben von Geschichte ermöglicht. Die Schüler tauchen digital in die römische antike Welt ein und können mit dieser spielerisch interagieren. In einer Lehrerumfrage wurde das Potenzial bestätigt. Die Lehrkräfte unterstrichen dabei die schüleraktive, handlungsorientierte, differenzierte sowie kooperative Ausrichtung des Lernkonzepts.