In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Ablasshandel im 21. Jahrhundert.
Zahle Ablass und befreie dich von der Bestrafung deiner Sünden!
Der Ablasshandel des 15. Jahrhundert gab Menschen die Möglichkeit sich von der Bestrafung ihrer Sünden „freizukaufen“ und so die ihnen vermeintlich bevorstehende Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Im Magdeburger Dom steht noch eine dieser Ablasstruhen, die auch Tenzelkästen genannt werden, benannt nach dem Ablassprediger Johann Tetzel.
Der Ablasshandel war Teil des feudalen Herrschaftssystems, in dem Menschen unter persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen standen, die religiös legitimiert wurden. Ablasszahlungen waren neben der Kirchensteuer (dem Zehnten) eine Möglichkeit für die geistliche Obrigkeit sich durch die Gläubigen finanzieren zu lassen. Im Zuge der Reformation wurde der Ablasshandel abgeschafft.
Gibt es etwas vergleichbares wie den Ablasshandel auch heute noch?
Das feudale Herrschaftssystem ist vergangen und mit die persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse von geistlichen oder weltlichen Obrigkeiten. Heute leben wir im Kapitalismus. Dieses unpersönliche Herrschaftssystem basiert auf der endlosen Vermehrung von Wert in allgemeiner Konkurrenz. Um dem Profitzwang zu entsprechen sind viele Unternehmen rücksichtlos gegen Mensch und Natur. Katastrophale Arbeitsbedingungen und Naturverhältnisse sind die Folge – und das schlechte Gewissen von Menschen, die um diese Zustände wissen.
Das ist das Geschäftsmodell einiger Unternehmen: sie verkaufen biologische und/oder Fair-Trade-Produkte, die bessere Bedingungen für Mensch und Natur garantieren sollen – und mit ihnen verkaufen sie das Gefühl, kein Teil des zerstörerischen Wirtschaftssystems zu sein. Einen solchen „bewussten“ oder „kritischen“ Konsum nehmen manche Menschen zum Anlass sich überlegen gegenüber Menschen zu fühlen, die ein anderes Konsumverhalten haben. Allerdings bedingt der kapitalistische Profitzwang nicht nur die Ausbeutung von Mensch und Natur – er sorgt auch dafür, dass Einkommen und Vermögen ungleich verteilt sind. Unter kapitalistischen Bedingungen können sich deshalb überhaupt nicht alle Menschen die teuren Bio- und Fair-Trade-Produkte leisten. Ein Großteil muss weiterhin mit der Last ihrer „Sünden“ leben.
An den gesellschaftlichen Verhältnissen ändert deshalb auch der vermeintlich bewusste Konsum einer wohlhabenden Schicht nichts. Die Propagierung eines scheinbar „schuldfreien“ alternativen Lebens durch die richtigen Kaufakte verhindert schlimmstenfalls substanzielle Schritte in Richtung der emanzipatorischen Überwindung des Wirtschaftssystems. Diese Überwindung ist aber die einzige Möglichkeit, die Grundlage eines guten Lebens für alle zu schaffen.
Die Karte deckt diesen Ablasshandel des 21. Jahrhunderts auf.