Incom ist die Kommunikations-Plattform der Hochschule Magdeburg-Stendal

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LiT!

Wie hat sich das Familienbild in den letzten 100 Jahren in der Werbung verändert? In einer interaktiven Zeitreise können Werbeplakate über diesen Zeitraum hinweg verglichen und mit den Entwicklungen in der Realität abgeglichen werden. Die Arbeit entstand im Semesterprojekt „Experience The Invisible“ dessen Ziel die Nutzung von Materialien aus Online-Datenbanken ist.

Hintergrund

Hintergrund des Projekts „Experience The Invisible“ ist der Umstand, dass viele Museen heutzutage große Teile ihrer Sammlungen online zur Verfügung stellen. Diese sind jedoch komplett unkuratiert und kaum zu durchblicken. Im Projekt sollten nicht nur die eigentlichen Daten einer solchen Onlinesammlung genutzt werden, sondern auch die dazugehörigen Metdaten.

Ideation

Zum Ausloten der Möglichkeiten wurden im ersten Schritt verfügbare Datenbanken sowie bereits vorhandene Visualisierungen recherchiert. Die Ergebnisse wurden im Kurs unter den Studierenden miteinander verglichen und diskutiert.

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Mithilfe der Recherche wurden verschiedene erste Ideen entwickelt. In der Diskussion wurde schnell klar, welche Aspekte es wert waren, weiterverfolgt zu werden und welche nicht.

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Inhalt

Ich entschied mich zunächst für die Datenbank des Plakatmuseums Folkwang. Die Plakate aus den vergangenen mehr als 150 Jahren faszinierten mich, da sie die jeweilige Zeit gut repräsentierten. Im weiteren Verlauf wechselte ich jedoch zur Datenbank einer Website namens Brand-History. Diese bietet statt etwas über 6.000 Plakaten über 42.000 Plakate mit Abbildung an. Weiterhin sind die Metadaten hier ergiebiger: Neben Jahreszahl, Titel und einer ausgiebigen Beschreibung finden sich für die weitere Verarbeitung nützliche Schlagworte.

Da die Datenbank über keine API verfügt, erstellte ich über einen in Processing geschriebenen HTML-Parser eine sehr lange csv. Diese kann in Google Sheets geöffnet werden, wo sie dank Vorschaubildern bequem weiterverartebeitet werden kann.

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In der Tabelle legte ich unterschiedliche Filter an, aus denen ich wieder kürzere Listen generierte. So erhielt ich einen guten Eindruck über die Inhalte der Plakate. Parallel informierte ich mich zum Einfluss der Werbung auf die Gesellschaft, um ein geeignetes Thema für mein Projekt zu finden.

Werbeplakate, die Personen abbilden haben anscheinend einen stärkeren Einfluss auf die eigene Körperwahrnehmung als solche ohne Personen (Petersen, 2005). Somit war die erste Entscheidung, mich auf Plakate mit Menschen zu fokussieren. Die Selbstbewertung verschlechtert sich wohl auch allgemein durch die Konfrontation mit Werbung, insbesondere wenn ein gewisser Lebensstil verkörpert wird. Kein Wunder, Werbung soll in uns unter anderem den Wunsch nach sozialem Aufstieg wecken (Packard, 1992).

Ein beliebter abgebildeter Lebensstil in der Werbung ist bis heute die „heile Welt“ - eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte der Vorkriegszeit (Nielsen, 2016). Hier lassen sich außerdem besonders gut sichtbare Geschlechterstereotype entdecken.

Die Konzentration auf die Darstellung von Familien in der Werbung schien mir daher eine gute Wahl, zumal bei der Durchsicht der Plakate aufgefallen war, wie wenig dieses sich über die Zeit verändert hat.

Konzept

Bei der Frage nach der Visualisierung stieß ich auf den Stuttgarter Künstler Erik Sturm. Er schnitt aus verschiedenen Litfaßsäulen rechteckige Plakatstapel, die Plakate aus über zehn Jahren enthalten und gemeinsam mit Besucher:innen entblättert wurden.

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Das Bild der Litfaßsäule faszinierte mich nachhaltig und führte zu verschiedenen Varianten eines Entwurfs, der auf einer Art digitalen Litfaßsäule besteht. Damit die Abbildungen der Plakate nicht unkommentiert im Raum stehen, sollen sie Texten, die die Realität zeigen, entgegengesetzt werden.

Die Plakate sollten in Schichten auf die Oberfläche einer Litfaßsäule projiziert werden – aktuelle Plakate zuoberst, darunter immer tiefer in die Vergangenheit. Die Texte sind vergraben unter all der Werbung.

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Letztendlich wurde die Litfaßsäule auf einzelne Papierstapel reduziert. Durch die Zeit wird mit einer Kurbel an einem höhenverstellbaren Tisch navigiert. So wie die Werbung umgeben ist von der Realität, sind die Plakatstapel umgeben von sich verändernden Gesetzen zum Thema Familie. Es werden Plakate aus vom Jahr 1900 bis heute verwendet.

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Umsetzung

Während die Tischbeine fertig gekauft werden konnte, musste die sechseckige Tischplatte inklusive Ausschnitte angefertigt und gestrichen werden. Über dem Tisch ist ein Beamer befestigt, der Plakate und Texte auf die Tischplatte projiziert. Die Funktionen der Projektion wurden in Processing realisiert. Der Papierstapel, der an aus einer Litfaßsäule geschnittene Stücke erinnern soll wurde aus diversen alten Prospekten geklebt.

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Um die Interaktion durch die Kurbel zu realisieren, wurde ein Arduino mit einem Abstandsmesser (Time of Flight Sensor) unter dem Tisch befestigt. Die Daten werden mittels serieller Kommunikation an den Processing Code gesandt und ausgelesen. Somit wird durch das Kurbeln an den Tischbeinen der Abstand des Tisches zum Boden verändert, was wiederum das Scrollen durch die Zeit ermöglicht.

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Evaluation und Ausblick

Auf der Werkschau wurde die Installation gut angenommen und hat zu vielen Gesprächen über die Inhalte geführt - das Ziel des Prototyps. Anmerkungen zu möglichen Erweiterungen waren eine stärkere Berücksichtigung der deutschen Teilung und die dort bestehenden Unterschiede im Familienbild, sowie eine stärkere Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen in der Werbung. Grundsätzlich wurde der Prototyp und auch das Thema jedoch sehr positiv aufgenommen.

In der gekürzten Fassung des UEQ wurden ebenfalls gute Ergebnisse erzielt. Die Interaktion mit der Kurbel wurde von vielen Besucher:innen als sehr intuitiv beschrieben. Kleinere Probleme mit der Lesbarkeit von Texten wurden nach der Werkschau bereits behoben.

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Prinzipiell bietet der Prototyp Raum für viele Erweiterungen, wobei hier besonders solche Ansätze interessant sind, die den Diskurs über die Inhalte weiter fördern. Ein Beispiel wäre, dass sich Nutzende Plakate markieren oder kommentieren können, so dass eine Diskussion nicht nur im direkten Austausch sondern auch asynchron entstehen kann.

Grundsätzlich ist der Tisch auch nicht an ein Thema gebunden, sondern kann theoretisch für diverse Themen genutzt werden. Es müssten nur die Bildauswahl sowie die Gesetzestexte angepasst werden.

Der Prototyp könnte bei Bedarf somit meiner Meinung nach in verschiedenste Richtungen angepasst bzw. erweitert werden.

Referenzen

Nielsen, M. (2016). Die heile Welt in der Werbung – Stereotype als Bestandteil von Werbestil. Linguistik online, 79(5). https://doi.org/10.13092/lo.79.3345

Packard, V. O. (1992). Die geheimen Verführer: der Griff nach dem Unbewussten in Jedermann. ECON Verlag.

Petersen, L. (2005). Der Einfluss von Models in der Werbung auf das Körperselbstbild der Betrachter/innen. Zeitschrift für Medienpsychologie, 17(2), 54–63. https://doi.org/10.1026/1617-6383.17.2.54

Ein Projekt von

Fachgruppe

Master Interaktion Design

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Prof. Dominik Schumacher foto: Prof. Dr.-Ing. Michael Herzog

Zugehöriger Workspace

MID: Experiance the invisible

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2022 / 2023